Es war im
Frühjahr 1987, als die Igel aus ihren Winterschlafplätzen
herausgekrochen kamen, als unsere Mutter meinte, "ihre Igelchen" wieder
verwöhnen zu müssen. Sie stellte ihnen jeden Tag/Abend eine
Schüssel Dosenhundefutter in den Garten, manchmal auch Katzentrockenfutter
und eine Schüssel Wasser (diese Art der Fütterung hat uns der Tierarzt
geraten).
Doch eines Tages bemerkte sie, daß wir noch einen
anderen Gast hatten, es war der schwarze Kater aus dem
Nachbarsgrundstück. Der Nachbar hat dort einen Bastlerschuppen und
ein paar Gerätschaften herumstehen. Unsere Ma hat ihn auf
die Katze angesprochen, die jetzt immer jeden Tag vorbeikam, um sich
ihre Portion abzuholen. Der Nachbar erzählte, daß der Kater schon
einige Jahre auf seinem Grundstück haust und selbst dort einen Winter
(1985) von bis zu minus 20 Grad überlebt hat.
Der Kater gehörte niemanden.
Unsere Mutter erzählte uns lange nichts von ihrem Vorhaben und auch
nicht, daß wir einen weitern "Mitesser" hatten. Sie wollte den Kater
ganz langsam und in Ruhe zu unserem Haus locken. Kinder können ja
immer so euphorisch sein :-).
Ich weiß es noch ganz genau, als wäre es gestern, wie der Peter (so
nannte meine Mutter ihn) im Mai einfach mal in unser Haus kam. Er ist
furchtbar vor unserem großen Hirtenhund Danny erschrocken und dieser
ebenso vor der Katze :-), ein netter Anblick. Der Kater versteckte sich
sofort unter dem Sofa und kam erst nach ca. zwei Stunden wieder hervor, maunzte
und wir ließen ihn wieder hinaus. Unsere Mutter hat uns gebeten ihn
nicht zu beachten, damit wir ihn nicht erschrecken.
Von diesem Tag an kam uns der Peter jeden Nachmittag für ein paar
Stunden besuchen, er hörte dann sogar auf den Namen wenn man ihn
rief,
kam her und holte sich seine Streicheleinheiten ab.
Ich muß zugeben, daß es mich das erste mal vor einer Katze geeckelt
hat, der arme Kerl war voller Zecken und total verdreckt. Als er so
auf meinem Schoß saß und ich ihn streichelte, entfernte meine Mutter
so langsam nach und nach die Zecken. Nach einigen Wochen begann sogar
sein Fell zu glänzen :-) Es war schon eine kleine Schönheit
- unser Peterle, rabenschwarz, grüne Augen und weiße Schnurrhaare :-).
Eines Abends beschloß Peter, bei uns zu übernachten aber nur in
meinem Zimmer, das sich im ersten Stock befand. So war er vor dem
großen Fellungetüm, das immer im Wohnzimmer lag geschützt.
Ich hatte einige schreckliche Nächte vor mir, denn so um 3 Uhr
morgens ist dem Kater immer eingefallen, daß er doch lieber raus
in den Garten möchte und das ging einige Wochen so weiter.
Er war ziemlich schreckhaft, hatte Angst vor lauten Stimmen und rannte
davon wenn man selbst mal etwas schneller ging - man durfte auch nicht
seinen Fuß heben.
Nachdem sich Peter bei uns ganz gut eingelebt hat, wurde es Zeit
für
den Tierarzt. Peterle hat auf der Autofahrt so kräftig
bebrüllt, daß wir dachten, wir hätten einen Löwen dabei.
Der Doc schätzte ihn auf ca. 4 Jahre und meinte, daß alles okay sei.
Peter war furchtbar beleidigt und lief den ganzen Nachmittag auf der
Gartenmauer hin und her und klagte der Nachbarschaft sein Leid, wie
gemein wir zu ihm waren. Doch als er Hunger bekam war alles wieder
vergessen.
Ich habe mir auch ganz schön etwas darauf eingebildet, daß er mich
als seine Schmuserin anerkannt hat. Er lag jede Nacht in meinem Arm
und bei den Hausaufgaben oder Prüfungsvorbereitungen lag er neben mir
auf dem Schreibtisch.
Nach einigen Jahren war es dann so, daß der Peter sich vor Danny's
Lieblingsplatz stellte kurz maunzte und dann den Platz für sich zur
Verfügung hatte. :-) Die beiden wurden schon recht gute Freunde -auf
Distanz-, denn Danny hatte einen heiden Respekt vor dem Kater, obwohl
dieser ihn nie anfauchte. Unsererem Hund war eh nichts geheuer, was
kleiner war als er. - Also fast alles.
Als eine Freundin meiner Mutter eines Tages beim Metzger war,
war das Tagesgespaech "Katzen" und eine Frau erzählte von ihrem
schwarzen Kater, der ihr
vor 4 Jahren davongelaufen ist. Sie meinte, daß sie ihn ganz gut
erzogen hat - er hat miaut, wenn er Futter wollte, oder wenn er raus
wollte. Wenn er etwas angestellt hat, dann hat sie ihm das
Geschirrtuch "überzogn" (das ist bayrisch und bedeutet, daß sie ihm
mit dem Tuch geschlagen hat). Der Beschreibung nach, war es Peter.
Frau Fritsch blieb ganz ruhig und hörte sich die Geschichte zu Ende an und
sagte dann zur der Frau, daß sie auch bei ihr davongelaufen
wäre,
erwähnte aber nicht, daß sie wußte, wer ihrem Kater
seit vier Jahren Asyl gewährt.
Peter war einst der Schrecken, der Gegend, ich habe noch nie
eine Katze derart ihr Revier verteidigen sehen wie ihn! Einmal
mußten
wir sogar eingreifen, weil wir dachten, er bringt den armen Kater um,
der sich aus Versehen einmal in unseren Garten verirrt hat.
Peterle hatte aber auch eine Freundin, mit der er um die Häuser zog.
Ich wunderte mich, warum er Nachmittags gegen 17:00 Uhr so unruhig
wurde und unbedingt raus mußte. Ich öffnette ihm die
Türe und
folgte ihm unauffällig. Auf dem Garagendach saß seine Freundin, die
auf ihn wartete. Die beiden gaben sich Köpfchen, genossen eine Weile
zusammen auf dem Dach die Sonne und zogen los.
Im Sommer 1993 rief mich
meine Oma an, die das Haus hütete, weil meine Eltern
im Urlaub waren, daß dem Peter die Haare am Flohband ausgehen. Ich
suchte einen neuen Tierarzt auf, weil der alte mir nicht sonderlich
sympathisch war und er nicht mit Tieren umgehen konnte, aber das ist
eine andere Geschichte.
Der neue Tierarzt machte einen sehr guten Eindruck und wirkte auch
sehr interessiert an Peterle und seiner Geschichte, schaute sich den
Kater genau an und meinte, daß er
mit ihm gerne einige Tests machen würde, wenn meine Ma wieder aus dem
Urlaub da ist, denn der Kater gefiele ihm gar nicht.
Peterle hatte irgendwie schmieriges Fell und Schuppen, ich dachte,
daß das eine Allergie auf das Flohalsband sei.
Es stellte sich heraus, daß Peter FIV positiv ist. Als wir das erfuhren,
brach eine Welt für uns zusammen und wir versuchten alles erdenkliche,
dem Kater es so gut wie möglich gehen zu lassen.
Ich war froh, daß unsere Eltern unsere Haustiere als
Familienmitglieder ansehen - und nicht nach dem Motto "mei, issa halt
krank, dann holen wir uns einen neuen Kater". Peterle bekam nun
regelmäßig Medikamente, die sein Immunsystem stützten. Nach einiger
Zeit, kam eine starke Nierenschwäche hinzu, die auch wieder durch
Medikamente, spezielles Diätfutter überwunden werden
konnte.
Peter wurde mit der Zeit immer ruhiger und gemächlicher, na ja er war
ja auch nicht mehr der Jüngste mit seinen nun ca. 13 Jahren.
Als unser Hund starb, blühte Peterle richtig auf, denn er war nun
der absolute Mittelpunkt der Familie und fing an seine
Dosenöffner erst recht herumzukommandieren. Na ja, sie ließen sich
gerne versklaven und verwöhnten ihn nach "Strich und Faden".
1996 fing Peter an, richtig abzubauen, er fraß immer weniger,
bis er schließlich das Futter total verweigerte.
So bekam er Astronautenkost, einige Aufbau- und Vitaminspritzen
von meiner Ma verabreicht, die ihm auch sonst seine wöchentliche
Dosis Baypamun spritzte, und er nahm wieder etwas Nahrung zu sich.
Ein Jahr später stellte sich heraus, daß Peter auch noch Krebs hat
und uns war klar, daß es jetzt sicher ganz schnell mit ihm geht. Es
folgten viele "ups and downs" die uns alle fertig machten. Nachdem der
einst so schöne kräftige Kater inzwischen sehr abgemagert
war,
fragte ich meine Mutter, ob ihre Tierliebe nicht etwas zu egoistsich
sei und sich der Peter nicht doch quält?
Sie würde ihn ja auch gerne erlösen meinte sie, aber unser
Stiefvater hinge so am dem Kater, daß er über dieses Thema nicht
reden will und auf stur schaltet.
Nachdem Peter anscheinend keine Schmerzen hatte, war es für den
Tierarzt noch einige Zeit vertretbar.
Anfang 1998 meinte er zu meiner Ma, daß es nun an der Zeit wäre,
sich von Peterle zu trennen und sie erklärte ihm die Situation mit
ihrem Mann, wenn sie vom Einschläfern sprach, endete es jedesmal in
einem großen Streit. Ich habe den Peter jede Woche gesehen, wenn ich
meine Mutter besuchte. Doch aus irgendeinem Grund hatte ich länger
keine Zeit mehr und sah ihn erst wieder nach vier Wochen.
Er war im Sommer nur noch Haut und Knochen und sehr wacklig auf den
Beinen. Bei seinem Anblick wurde mir schlecht und ich mußte weinen.
Ich konnte das nicht verstehen. Unsere Ma war auch ziemlich fertig,
weil Peter öfters beim Gehen umgefallen ist. Er bewies bis einen
unglaublichen Lebenswillen, schlief aber sehr viel.
Anfang August sagte mir
meine Mutter, daß wieder 5 Igel im Garten sind
und sie stellte wieder Futter hin (wie jedes Jahr). Doch diesesmal
begann das Katzenspiel von vorne. Eine schwarze Katze mit weißen
Pfoten futterte den Igeln das Fressen weg. Unsere Ma fragte den Herrn
am Nachbarsgrundstück, ob er wisse wem die Katze gehört und er
meinte, daß die schon lange bei ihm auf dem Grundstück haust und
anscheinend kein zuhause hat.
Die Katze ist sehr zutraulich, wunderschön mit ihrem langen Fell,
aber um einiges kleiner als Peterle.
Obwohl meine Ma darauf bestand, daß sie nach dem Peter keine Katze mehr
wollen, konnten sie diesem süßen Vieh das Obdach nicht verwehren. Sie
erkundigte sich beim Tierarzt, ob es irgendeine Ansteckungsgefahr
für die kleine Katze gäbe und nachdem er das verneinte, durfte die Katze
auch in die Wohnung. Es war uns klar, daß Peter nicht über
sie herfallen und blutig beißen würde. Die Katze wußte genau,
daß Peter der Herr im Haus war
und wich ihm immer aus. Meine Mutter ließ Peterle nicht merken,
daß
sie sehr viel mit der neuen Katze schmust und stellte ihm sein
Katzenklo vom Keller in den ersten Stock, damit er es auch leichter
hat, denn er schaffte es nicht mehr bis zur Toilette und pinkelte ab
und zu auf die Treppe.
Als ich meine Ma vor zwei Wochen besuchte und ich ihrer Meinung nach mit
Katzen "besser" umgehen kann, durfte ich den Neuzugang waschen. Ich
denke sie hatte nur Angst, daß "Sascha" ihr beleidigt wäre. So nahm
ich eine Schüssel mit lauwarmen Wasser, gab etwas Duschgel hinein und
strich der neuen Katze mit einem Waschlappen über das Fell.
- Puhh, war die staubig. Als Peter das sah, miaute er mich an und ich wusch ihn
auch, was ihm dann sehr gut gefiel. Ich traute mich kaum, dieses
Knochengerüst auf seinen Platz zu tragen, weil man das Gefühl hatte,
er bricht einem im Arm auseinander.
Ich schmuste noch lange mit ihm und bat ihn, bitte bald einzuschlafen
- und daß es ihm im Land der Regenbogen sicherlich viel besser geht
als hier. Ich erzählte ihm 'seine' Geschichte und dankte ihm
für alles; die Liebe die er uns gab und er war uns auch ein guter Lehrer,
was Katzenhaltung angeht. Irgendwie wußte ich, daß es das letzte Mal
war, als ich ihn im Arm hielt und streichelte.
Am 11. September 1998 um 16:30 Uhr schlief er friedlich auf seinem Kissen
ein.
Unserer Ma geht es auch schon wieder besser, das ganze hat sie ziemlich
mitgenommen, denn ich habe den Peter ja nicht mehr täglich gesehen.
"Sascha" lenkt meine Eltern sehr ab und hilft ihnen über Peterle's
Verlust hinweg. Trotzdem haben sie Peterle gegenüber ein
schlechtes Gewissen und ich sagte ihnen, daß es durchaus ein Wink des
Schicksals gewesen sein kann, daß Sascha ihnen zugelaufen ist und
Peterle deswegen auch beruhigter ins Land der Regenbogen gehen konnte,
weil er jetzt wußte, daß seine lieben Dosenöffner
nun nicht mehr alleine sind und jemanden haben, der auf sie
aufpaßt.
Lieber Peter, wir danken Dir!
Nasim Nadjafi, 15. September 1998
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